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marsvin

 

Alter Brauch an der dänischen Ostsee: Wenn du einen Lochstein findest, dann schmeiß ihn über deine Schulter ins Meer und wünsch dir was – natürlich mit geschlossenen Augen.

Er hatte sich den Arsch abgerannt um einen zu finden, einen Lochstein. Die Augen schon tränend, fast blutig geglotzt. Auch von der ewigen Suche nach dem „marsvin“, dem kleinen Ostseewal. Wunderschöne kleine Miniwale oder Tümmler, von den Fischern weggenetzt und fast alle ertrunken – ganz uralte Tiere, so wie Wale halt, mit Mythen und Legenden umrankt, sauschlau und weise.

Er hat dann einen Lochstein gefunden – ziemlich groß und schwer! Uralt und salzig! Voller Geschichten und Muschelpickel! Sandig und rund! Löchrig und eckig!

Fest mit der Hand kaum umschlossen – fest die traurigen Augen zugedrückt – fest den schon so lange gehegten Wunsch aus dem Hinterhirn gepresst – weit den Stein geschleudert, trotz dieser Scheißschmerzen in der Scheißschulter – welch Sieg!

Er traf damit das allerletzte marsvin der Ostsee. Der Miniwal wollte nur nach der Quelle dieser tiefen Trauer schauen.

1998